Allegro – Die Kunst des Springens im Ballett

 

Allegro – Die Kunst des Springens im Ballett

Im klassischen Ballett bezeichnet der Begriff Allégro (aus dem Italienischen allegro, „fröhlich“ oder „lebendig“) alle schnellen und lebendigen Bewegungen – insbesondere Sprünge. Allégro verkörpert die leuchtende, energiegeladene Seite der Balletttechnik und wird in der Regel nach dem vollständigen Aufwärmen des Körpers im letzten Teil des Unterrichts eingeführt.

Alle Sprünge im Ballett fallen unter die Kategorie Allégro und lassen sich in drei Hauptgruppen einteilen:

  • Petit Allégro: kleine, schnelle Sprünge wie sautés, échappés, assemblés und jetés.
  • Mittel Allégro: Sprünge mit größerer Höhe, z. B. sissonne ouverte und sissonne fermée.
  • Grand Allégro: große, kraftvolle Sprünge wie grand jeté, grand pas de chat, cabriole und mehr.

Zusätzlich umfasst Batterie Sprünge mit schnellen Beinschlägen in der Luft – wie etwa beim entrechat – und können in allen Allégro-Kombinationen vorkommen.

Ein geschichtlicher Sprung: Von königlichen Höfen zur romantischen Bühne

Die Ursprünge von Allégro reichen bis ins 17. Jahrhundert zurück zu König Ludwig XIV. von Frankreich, der selbst tanzte und das Ballett an die königlichen Höfe brachte. Ihm wird zugeschrieben, luftige Bewegungen populär gemacht zu haben, die später zum komplexen entrechat wurden.

Im 18. Jahrhundert revolutionierten Ballerinen wie Marie Sallé und Marie Anne de Cupis de Camargo die Technik der Tänzerinnen. Sie kürzten ihre Röcke, um präzise Fußarbeit sichtbar zu machen, und wagten es, ebenso hoch zu springen wie ihre männlichen Kollegen – was das Ballett in eine neue Ära der Agilität, Schnelligkeit und Sichtbarkeit führte.

Im 19. Jahrhundert wurde das romantische Ballett La Sylphide durch den dänischen Choreografen August Bournonville neu interpretiert. Seine Version betonte besonders das petit allégro mit schneller, raffinierter Fußarbeit, die der Figur der Sylphide eine schwerelose Leichtigkeit verlieh – sie wurde als ätherisches Luftwesen dargestellt, Symbol der vier Elemente: Luft, Erde, Wasser und Feuer.

Technik: Die vier Phasen eines perfekten Sprungs

Um einen Ballettsprung mit Anmut und Kontrolle auszuführen, müssen Tänzer*innen vier technische Phasen meistern:

  1. Demi-Plié (Vorbereitung): Die Knie beugen sich, während die Füße flach auf dem Boden bleiben – das aktiviert Beine und Füße für den Absprung.
  2. Absprung: Die Fersen heben sich, die Zehen drücken sich kraftvoll vom Boden ab, und die Beine strecken sich energisch.
  3. Kulmination (Flugphase): Auf dem Höhepunkt scheint der Tänzer in der Luft zu schweben – hier zeigen sich Elevation und Ballon, die Illusion mühelosen Gleitens.
  4. Landung: Der Tänzer kehrt sanft zurück, rollt den Fuß von den Zehenspitzen bis zur Ferse ab und endet in einem weichen demi-plié, um die Aufprallkraft abzufangen.

Sprünge können sowohl vertikal (auf- und abwärts) als auch horizontal (durch den Raum wandernd) ausgeführt werden.

Musikalität, Kraft & Koordination

Zwei technische Grundbegriffe für Sprünge im Ballett sind:

  • Élevation: Die Fähigkeit, hoch zu springen – mit Kontrolle, Elastizität und musikalischer Phrasierung.
  • Ballon: Die visuelle Illusion von Leichtigkeit und Schweben, besonders bei großen Sprüngen.

Um Sprünge vorzubereiten und zu verbinden, nutzen Tänzer*innen Verbindungsschritte wie glissade, chassé, pas de bourrée, pas couru, temps levé usw. Diese sorgen für Fluss, Rhythmus und Atem, und stabilisieren die Körpermechanik für die folgende Bewegung.

Allégro-Kombinationen fördern nicht nur Kraft in Beinen und Füßen, sondern entwickeln auch Ganzkörperkoordination – Arme, Kopfhaltung, Blickrichtung und musikalisches Timing. Auf der Bühne oder im Unterricht formieren sich Tänzer*innen oft in symmetrischen Formationen, z. B. in Kreisen oder Linien, die den Solisten in der Bühnenmitte einrahmen.

Entspannung – die verborgene Kraft in jedem Sprung

Obwohl Sprünge Energie und Präzision verlangen, liegt wahre Kunst in der Fähigkeit zur Entspannung. Die muskuläre Entspannung zwischen den Kontraktionen ermöglicht eine gute Durchblutung, schützt vor Verletzungen und steigert die Ausdauer.

Ein Tänzer, der sich dauerhaft anspannt, wirkt steif und verkrampft. Wer hingegen zwischen Aktivierung und Entspannung wechseln kann, schafft Raum für Eleganz, Natürlichkeit und Ausdruckskraft.

Fazit

Allégro ist weit mehr als athletische Leistung – es ist musikalische Freude, tänzerischer Flug und die poetische Verbindung von Kraft und Leichtigkeit. Ob in einem kleinen saut oder einem raumgreifenden grand jeté – Tänzer*innen verbinden Himmel und Erde, Schwerkraft und Anmut durch disziplinierte Kunst.

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Quellen:

  • The Ballet Source, Kim Hungerford, 2016
  • Jennifer Homans: Apollo’s Angels – A History of Ballet, Random House, 2010

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